60 Wie Ernst zu einer Grabinschrift kommt.

Ernst steht auf und isst ein Müesli und eine ½ Stunde nach dem Müesli genehmigt Ernst Ernst ein Knäckebrot mit Salzbutter und Confiture de figues noires à l’ancienne. Und nach einer weiteren ½ Stunde erwägt Ernst ein zweites Knäckebrot zu essen. Da hört Ernst, wie Ernsts Zähne knirschen und Ernst knurrt: «Frt mt dm knsprgn Knckbrt!» Das wirkt. Ernst widersteht. Ernst widersteht 1 volle Stunde. Aber dann ist die Zeit reif für 1 Lot geröstete Nocciole aus dem Piemont und 2 Shortbreads (cloystermade). Ernst schaut mit Ernsts Kleiderschrankspiegel in Ernsts Mund. Die Zwischenräume von Ernsts Zähnen sind mit Weizenmehl, Haselnusssplittern und Confiture de figues noires verstopft. Ernst geht zu Boden und verliert Ernsts Besinnung.

E caddi como corpo morto cade.[1]

Als Ernst wieder zu Ernst kommt, ist es dunkel. Ernst wankt benommen zu Ernsts Küchentisch. Hat Ernst da nicht ein Ragusa für schwere Zeiten in die Schublade gelegt? Ernst fährt mit Ernsts linker Hand auf dem Schubladenboden hin und her – die Schublade ist leer. Jetzt fährt Ernst mit Ernsts rechter Hand hin und her und Ernsts Hand findet einen Zeitungsausschnitt vom 8. Januar 1944.

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Ernst ist erstaunt, dass am Ende des 2. Weltkriegs im Emmental Werbung für eine Abmagerungs-Lotion gemacht wurde und notiert auf dem vergilbten Rand des Zeitungsausschnitts:

WIE ERNST IST
WAR AUCH ICH
WICH ICH BIN
WIRD AUCH ERNST


[1] Und wie ein Toter hinfällt, fällt auch Ernst. Dante Alighieri, La divina commedia, Inferno, V/142, Übersetzung Ernst

[2] Isabella Mary Beeton, The Book of Household Management, Comprising information for the Mistress, Housekeeper, Cook, Kitchen-Maid, Butler, Footman, Coachman, Valet, Upper & Under House-Maids, Lady’s-Maid, Maid-of-all-Work, Laundry-Maid, Nurse & Nurse-Maid, Monthly Wet & Sick Nurses, &cet. &cet.—also Sanitary, Medical, & Legal Memoranda: with a History of the Origin, Properties, & Uses of all Things Connected with Home Life & Comfort (October 1861)

[3] Ernst orientiert Ernst an Laurence Sterne’s The Life & Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. Bei Tristram Shandy geht es um den Tod von Yorick (der im Buch mit zwei schwarzen Seiten verabschiedet wird), bei Ernst geht es im unsichtbaren Text um Ernsts Umnachtung, während der Ernst frische Mangetout und Maccheroncini alla Senese isst. Ferner werden auch die Pastéis de Nata erwähnt, die Ernst mit Madame Debienne in der Lissabonner Confeitaria de Belém neben dem Mosteiro dos Jerónimos gegessen hat. Zum Schluss kommt noch der Bakewell Pudding zur Sprache (nach dem Rezept von Mrs Beeton’s «Book of Household Management»). Ernst probiert und nickt und Frater Felix sagt: «That’s the Queen of all puffy pastries, isn’t it?» Und als Ernst noch einmal auf die Pastéis zu sprechen kommt, sagt der Koch (dessen Grossmutter bekanntlich Holländerin war): «Pasteis de nata kun je overal kopen maar de echte eet je in Belém.»

[4] Anzeiger für die Gemeinden Burgdorf, Heimiswil, Hasle, Oberburg, Krauchthal, Wynigen, Rüegsau, Lützelfüh, Rumendingen, 8. Januar 1944