89 Ernsts Sternwarte.

Werther Ernst,

rätselhaft, rätselhaft, rätselhaft die Episode 88 – das gedoppelte Unendlichkeitszeichen in der Zahl
und dann die Sterne, träumerisch, ungreifbar und schwebend.
Wie oft zu ihnen geschaut,
– die Erde aus Sternenstaub entstanden …

Eine schöne, geheimnisvolle Episode, die so viele Assoziationen weckt,
zunächst banal auf das verweist,
„was in den Sternen steht“.

Dann Tiefsinnigeres, Unverständlicheres, wie Rilkes Erste Duineser Elegie erinnern läßt:

„Ja, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche
Sterne Dir zu, daß Du sie spürtest.“

Sind gar die Pfingstgeister weiter am Werk und sprechen vom „guten Stern“,
der den Wanderern den Weg auf der Flucht weist … (in dem schönen Gemälde von Adam Elsheimer)
„und so viel mehr“…

vielen Dank an Brian de Selby und den
lieben Ernst

Dein
Nordlicht

 

*

 

Wertes Nordlicht, werter Brian de Selby

Als Ernst die leeren Seiten des Tristram Shandy citierte, ist Ernst bekanntlich 1 Laune gefolgt – oder dem Gesang der Zikaden, denn: «Das Zitat ist keine Abschrift. Zitate sind Zikaden. Sie haben die Eigenheit, nicht mehr verstummen zu können. Klammern sich in die Luft und lassen sie nicht mehr los».[1] Mit den neuesten Emails ist Ernst aber unversehens zum Türhüter geworden, der die ominöse Sternwarte öffnen kann und damit Gefahr läuft, das Unheil der 273. Nacht heraufzubeschwören oder die Ereignisse[2] weiter im Halbdunkel zu lassen. Ernst entschliesst Ernst, die Zeichen, die auf der vergilbten Seite durchschimmern, zu enthüllen jedoch so, dass die Discretion gewahrt bleibt:

 

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—You shall see the very place, Madam; said my uncle Toby. Mrs Wadman blushed—looked towards the door—turned pale—blushed slightly again—recovered her natural colour—blushed worse than ever; which, for the sake of the unlearned reader, I translate thus:

‹L—d! I cannot look at it—
What would the world say if I looked at it?
I should drop down, if I looked at it—
There can be no sin in looking at it.
—I will look at it.›[3]

Da ist aber noch etwas: Ernst hat Ernsts Wellness Journal bekanntlich als ‹interactives Esstagebuch› declariert.[4] Was Ernst dabei übersah und jetzt erfreut zur Kenntnis nimmt, ist, dass die Beiträge Ernst immer wieder von Ernsts Curs abgebracht haben – endgültig und unwiderruflich – und das nota bene nicht, um nach einem Umweg wieder auf die geteerte Hauptstrasse zurückzukehren, sondern um eine vollständig neue Richtung einzuschlagen, die in dieser Art nicht vorauszusehen war.

Laurence Sternes Sterne zeigen das exemplarisch, denn wie sonst wäre Ernst zum Verwalter des schummerlichtigen Geheimnisses geworden, das Mrs Wadman so gerne anschauen würde? Oder wenn Ernst an jene Zeit zurückdenkt, wo Ernst nahe daran war aufzugeben und nur dank der aufmunternden Emails durchgehalten hat. Ernst erinnert an die Email von RS, die Ernst von Ernsts unsäglichem Geleiere abbrachte[5] oder an Geoffrey, der Ernst mit Robinson Crusoe verglich: «Ernst hat Schiffbruch erlitten, er sitzt allein in seiner Klause, es gibt kein Zurück und kein Vorwärts, aber er hat sein Wellness Journal, in dem er sich immer wieder Rechenschaft ablegt.»[6] Das war ehrlich und hart, aber es war auch Balsam und Ernst möchte Ernst deshalb wieder einmal für alle Zuschriften bedanken. Mögen sie Ernsts Wellness Journal weiterhin bereichern und Ernst vor Inzucht bewahren!

Es grüsst unerwartet
sternclar & ernst
Ernst


[1] Ossip Mandelstam, Gespräch über Dante, II

[2] Ernst spricht hier absichtlich von einem ‹Ereignis›, da dieses Wort auf mittelhochdeutsch ‹eröugen› zurückgeht und ursprünglich also ‹vor Augen stellen› bedeutete.

[3] – Ihr sollt mir die Stelle selbst besehen, Madam; sagte mein Onkel Toby. Mrs. Wadman errötete – sah nach der Tür hin – erblasste – errötete wieder was wenigs – gewann ihre natürliche Farbe – errötete ärger denn je; was ich dem ungelahrten Leser zu Gefallen also übersetze: ‹Ach du liebes bisschen! Ich kann nicht hinsehn – / Was würden die Leute sagen, wenn ich hinsähe? / Ich würde darniedersinken, wenn ich hinsähe – / Ich wollte, ich könnte hinsehen – / Es kann doch keine Sünde dabei sein, hinzusehn, / – Ich will hinsehn.› Laurence Sterne, The Life & Opinions of Tristram Shandy, Gentleman, Bd. IX, Kap. XX, ins Deutsche übertragen von Michael Walter

[4] Episode 0

[5] Episode 65

[6] Episode 48