88 Sterne.

Lieber Ernst

Als Ernst die leeren Seiten von Tristram Shandy zitierte, sah ich (im Sinn von Nordlicht?) etwas Weisses, Helles, Reines. Jetzt jedoch sehe ich, dass das Original vergilbt ist und wahrscheinlich auch riecht, so wie alte Bücher riechen: verstaubt und vergriffen und muffig. Dabei erinnere ich mich an meinen Besuch in der Bibliothek der Universität von Coimbra in Portugal, wo nach Bibliotheksschluss eine Fledermauskolonie für die Konservierung der Bücher sorgt! Das heisst, die Fledermäuse vertilgen nachts die Insekten, die auf den alten Folianten herumkrabbeln und damit die Tische nicht von den Fäkalien der Fledermäuse verschmutzt werden, bedeckt man sie mit Ledertüchern.

Nun aber zurück zu den leeren Seiten von Tristram Shandy: Wie ich genauer hingucke, sehe ich, dass hinter Chapter Nineteen Sterne durchschimmern. Das heisst, Chapter Twenty beginnt anscheinend mit Sternen, deren Schatten beim Scannen sichtbar geworden sind. Seit ich diese Entdeckung gemacht habe, frage ich mich immer wieder, ob das Ernst absichtlich gemacht hat, denn Ernst (leider weiss ich nicht mehr wo, es muss am Anfang von Ernsts Wellness Journal sein, es steht da auch etwas von einem ‹himmlischen Sieb› oder so ähnlich), da macht Ernst darauf aufmerksam, dass ‹Ernst› ein Anagramm von ‹Stern› ist. Dazu kommt das geheimnisvolle Foto, das Bea in ihrer Email in Episode 74 geschickt hat, wo man ebenfalls die Schatten von Sternen sieht und gestern habe ich in einer Zeitschrift ein Zitat der Inuit gelesen: «Vielleicht sind es nicht Sterne, sondern kleine Öffnungen im Himmelszelt, wo die Liebe unserer Vorfahren durchscheint und uns wissen lässt, dass sie glücklich sind.»

Lieber Ernst, ich weiss, ich habe mich wegtragen lassen, aber ich kann nicht anders, die Sterne lassen mir keine Ruhe. Und zwar auch ganz banal: denn ich möchte nur allzu gern wissen, was die Sterne im Chapter Twenty von Tristram Shandy bedeuten und wie sie textlich fortgesetzt werden. Dazu kommt (und das fällt mir erst jetzt auf), dass der Autor ja Laurence Sterne heisst. Ich möchte hinsehen – I wish I could look at it. Oder hat Ernst auch das beabsichtigt? Man möchte hingucken, aber es muss (wie bei der Geschichte der 273. Nacht) im Verborgenen bleiben? Ich zitiere aus Ernsts uncorrigiertem Zweikmapf: «Fargen über Fagren!»

Ich habe bei Hieronymus Bosch nach Sternen gesucht, denn ich wollte meine Email wie gewohnt mit einem Bild schliessen: Nada. Doch dann bin ich auf den deutschen Barockmaler Adam Elsheimer gestossen und so schicke ich einen Ausschnitt aus seinem Gemälde «Flucht nach Ägypten».

 

 

Mit einem herzhaften Gruss
Ihr
Brian de Selby