40 Ernst sieht schwarz.

Ist Ernsts Lügengebilde
ein Meisterwerk an Innovation und Statik?[1]

Ernst und Madame Debienne wollen eine Wanderung machen. Ernst möchte noch schnell etwas Kleines essen. Madame Debienne sagt, dass nicht genügend Zeit zum Essen bleibe. Ernst isst trotzdem 1 Scheibe Holzofenbrot und etwas Fenchelsalami. Und 5 Monelle al peperoncino e paprika (stirate a mano con olio extravergine d’oliva senza conservati). Und schon treten Madame Surchauffeur, Dr. phil. Fill und Signorina Cardiopalmo in Ernsts Eremitage. Madame Debienne ist überrascht und legt ihre Hand auf Ernsts Bauch: eine gut gespannte Trommel. Signorina Cardiopalmo legt ihr Ohr an Ernsts Brust: Ernsts Herz klopft übermässig. Dann befühlt sie mit Madame Surchauffeur Ernsts Schläfe: Ernst ist überhitzt. Dr. phil. Fill inspiziert Ernsts Zunge: Ernsts Zunge ist belegt.

Aber da wird Ernst plötzlich rooshiamarodnimad[2] und schreit: «Ist Ernst bei einer Arztvisite oder bei neunmalklugen Ernährungsberatern?» Dr. phil. Fill geht zur Tür und Ernst hört, wie er vor sich hinmurmelt: «Unbelehrbar.» Nun verabschieden sich auch Madame Surchauffeur und Signorina Cardiopalma, nur Madame Debienne bleibt noch stehen und schaut Ernst ratlos an. So vergehen einige Sehkunden, dann ist auch sie weg. Das trifft Ernst wie 1 Radarblitz auf der Autobahn, denn

ohne Madame Debiennes Gegenwart verwildert Ernst sofort. Kaum ist sie für einen Tag unerreichbar, fällt Ernst in Ernsts alte Wolfsgewohnheiten zurück. Ernst liest gemeines Zeug, berauscht Ernst an Gedichten, isst flüchtig und schlecht und wandert unrasiert in der kahlen Wohnung umher.[3]

Zum Glück findet Ernst in Ernsts Briefcase 1 Email von me_at_night.

halo ernst!
vor ein paar tagen habe ich wieder einmal in deinem wellness journal rumgeblättert und bin in episode 30 bei der e-mail von schneeweiss & rosenrot hängen geblieben. sie schreiben von diesem kopfkissenbuch von sei shonagon. mittlerweile habe ich in erfahrung gebracht, dass es vor sage und schreibe 1000 jahren verfasst worden (und somit gleich alt ist wie die eibe, die du besucht hast). also was die hofdame von diesem monoimi sagt, wie man unter den unheilbringenden stern kommt und dann nichts essen darf und auch die briefe ungelesen returnieren muss, das ist mir plötzlich eingefahren und ich dachte: das probier ich auch einmal aus.

da ich keinen medizinmann habe, der für mich das datum bestimmt, hab ich selber einen tag gewählt. dh ich sagte aufsgeratwohl: der nächste donnerstag ist mein monoimi, da esse ich nichts und betr. emails habe ich das no reply eingegeben. und ob dus glaubst oder nicht, aber an diesem tag hatte ich null hunger und auch nachts bin ich nicht zum kühlschrank gegangen. die email meines neuen freundes wurde automatisch zurückgeschickt (was er ziemlich krass fand, aber jetzt versteht).

dann wartete ich 10 tage und bestimmte den sonntag als meinen monoimi. und wieder klappte es: der kühlschrank blieb zu, ich schlief durch und fühle mich seither wohl. noch wage ich nicht zu glauben, dass es auf die dauer hält, aber wenn das wirklich der fall sein sollte das wär ein mega erfolg: bingo! tschüssundgruss!
me_at_nights

werte me_at_night
ernst ist heute leider nicht gut drauf, aber deine email verdient natürlich sofort eine antwort. du sagst, dass du es aufs geratewohl probiert hast. das ist das entscheidende: der zufall, der dir im nachhinein anzeigt, ob du glück gehabt hast oder nicht. und damit heisst es bei dir klipp & klar bingo und bei ernst noch immer nobingo. aber das hindert ernst nicht, dir zu deinem glück zu gratulieren. es grüsst dich herzlich & ernst
ernst


[1] Peter Fischli & David Weiss, Findet mich das Glück? [296]

[2] Gopferteliverruckt, James Joyce, Finnegans Wake, 509, Übersetzung Ernst

[3] Durs Grünbein, Das erste Jahr, Berliner Aufzeichnungen, 20. Juli 2000