77 Zur goldenen Sonne.

Ernst und Toni sitzen auf Ernsts Balkon. Es geht schon der Stunde des Wolfs entgegen. Da fragt Ernst, ob Toni die Erzählungen aus den 1001 Nächten kenne. Toni denkt an Sindbad den Seefahrer und an Ali Baba, der auf dem Baum sitzt und hört, wie der Räuberhauptmann ‹Sesam, öffne dich!›[1] ruft, aber so wie Toni Ernst kennt, hat Ernst wohl etwas anderes in Ernsts Sinn. Ernst holt Band III/1 und liest:

Als nun Schehrezâd ihre Geschichte zu Ende erzählt hatte, sprach König Schehrijâr zu ihr: «Ich bitte dich, erzähle weiter, bis die letzten Stunden dieser Nacht vergangen sind!» Da gab sie zur Antwort: «Einst war im Lande der Romäer eine Königsstadt, die Lebta genannt wurde; und in ihr war eine Burg, die immer verschlossen gehalten wurde. Jedesmal, wenn ein König starb und ein anderer romäischer König ihm auf dem Throne folgte, so legte er eine neues, festes Schloss davor, bis vierundzwanzig Schlösser vor dem Tore lagen, von jedem König ein Schloss. Nach dieser Zeit aber bemächtigte sich der Herrschaft ein Mann, der nicht aus dem Königshause stammte; der wollte jene Schlösser öffnen, um zu sehen, was in der Burg wäre. Die Grossen des Reiches suchten ihn daran zu hindern, aber er sprach: ‹Diese Burg muss sofort geöffnet werden.› Nun boten sie ihm alles, was sie an kostbaren Schätzen besassen, damit er die Burg nicht öffne; aber er liess sich von seinem Vorhaben nicht abbringen.» Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.[2]

Toni bittet Ernst, weiter zu lesen, aber Ernst sagt: «Auch bei uns geht bald die Sonne auf, deshalb schlägt Ernst vor, das Reden ebenfalls anzuhalten.»

Toni sagt: «À propos Sonne, wie war das eigentlich damals, als Ernst Frau Sonne hinter dem Duschvorhang sah, sah er sie von hier, vom Balkon, aus?»[3] Ernst sagt: «Nein. Ernst schlenderte zum Fluss hinunter und ging auf den alten Pfählen über das Wasser zur Kiesbank.[4] Dort nahm Ernst den Bakerloo Line Train und fuhr zur Endstation, Elephant & Castle, wo Ernst auf die Buslinie 40 umstieg und zum Sonnenfeld Allmendingen fuhr. Ernst hat übrigens Ernsts Ausflug gefilmt.» Toni ruft: «Davvero?» Und Ernst: «Der Film zeigt die Fahrt vom Elephant & Castle bis zum Sonnenfeld Allmendingen und die Wartezeit bis kurz vor Sonnenaufgang.» Toni ruft: «Und die Sonne? Hat Ernst gefilmt, wie sie sich duschte?» Ernst sagt: «Ernsts Handy war leider zu schwach, aber mit einem guten Teleobjectiv … chissà … chissà!» Toni seufzt und nimmt einen Schluck Anji Baicha. Ernst sagt: «Aber es hat sich trotzdem gelohnt, denn wie Ernst auf dem Sonnenfeld sitzt und wartet, bis Frau Sonne aus den Federn springt, hört Ernst ihre Leibwächter singen und das hört man auch im Film.» Toni ruft con fuoco: «Dai! Ich bin gespannt.»

 

 


[1] Episode 20

[2] Die Erzählungen aus den 1001 Nächten, 272. Nacht, nach dem arabischen Urtext der Calcuttaer Ausgabe aus dem Jahre 1839, übertragen von Enno Littmann

[3] Episode 28

[4] Episode 45