67 La malinconia.

Guter Ernst

Die Email von RS hat bei mir einiges in Bewegung gesetzt. Warum bin ich schockiert? Wegen des rüden Tons? Nein. Denn das ist anscheinend die Art und Weise, die RS in der RS gelernt und seit über 50 Jahren beibehalten hat. Bin ich frustriert, weil RS nicht meiner Meinung ist? Nein, da stimme ich mit Ernst überein: So eine Email ist das Salz in der Suppe. Oder bin ich gar betrübt, weil Ernst bezüglich seiner Einsichten noch immer (um es milde auszudrücken) nicht sehr umsetzungsfreudig ist? Um Himmels Willen: Nein! Was zum Teufel ist es also, das mich nicht nur umtreibt, sondern regelrecht deprimiert?

Ernst hat in seiner Antwort an RS auf Episode 0 verwiesen und so bin auch ich wieder einmal zu diesem Vorspann zurückgegangen mit dem köstlichen Motto von Augustin: «Herr, gib Ernst Keuschheit und Enthaltsamkeit, aber bitte nicht sofort!» Dann blätterte ich zu Episode 1 und las:

Nachdem Ernsts Worte verklungen sind, hört Ernst, wie die Leute am gegenüberliegenden Ufer des Flusses ein Fest mit Feuerwerk feiern. Aber Ernst geht nicht auf den Balkon, sondern stellt Ernst die explodierenden Leuchtkörper mit geschlossenen Augen vor. Ernst ist überzeugt, dass dies schöner ist als die Wirklichkeit.

Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Für RS ist Ernsts Wellness Journal Wirklichkeit! RS liest das Journal als Tatsachenbericht und er ist unfähig, sich auch noch etwas anderes vorzustellen! Die Email von RS irritiert mich also deshalb so stark, weil da jemand daherkommt, der mir mit seinen Exceltabellen meine Illusionen und damit auch ein Stück Literatur zerstören will! Den Film vom Traum des blauen Hauses oder die electro-pfirschfarbene Lorenzaccio de Medicis im Eispalast der Biscuiterie de Montmartre oder ein Frt mt dm knsprgn Knckbrt! – das putzt dieser RS einfach weg! Das ist es, was mich zum Weinen bringt.

Und jetzt? Ernst hat bei Sei Shonagon Zuflucht gesucht und mit ihr die Tautropfen (die niemanden sonst interessieren) betrachtet. Das hat auch mir geholfen und was für mich ebenso hilfreich war, ist die Email von Charlotte. Mit dem Dadagedicht ist es ihr gelungen, den Ernst wieder dorthin zu holen, wo er hingehört: ins Reich der Imagination.

Werter Ernst, ich schicke Ihnen wie gewohnt ein Bild von Hieronymus Bosch (das mich bei der Lektüre von Ernsts Wellness Journal zeigt) und grüsse Sie aufmunternd.

 

 

Ihr
Brian de Selby