49 Wie Ernst seine Lebensgeister weckt.

Montag: Ernst. Dienstag: Ernst. Mittwoch: Ernst. Donnerstag: Ernst.[1]
Ernst hat den Mut, nicht nur von Ernst zu sprechen,
sondern von nichts anderem als von Ernst zu sprechen.[2]

Ernst hat 1 sattes Kilogramm zugenommen! Ernst sagt (als Entschuldigung? als Trostpflaster?): «Wo wenig ist, flieht das Wenige und wo viel ist, kommt noch mehr dazu.» Ernst entschliesst Ernst, diesen Uptick kurzerhand abzuwaschen. Ernst nimmt also ein Bad und legt 1 Meiringer Meringue auf den linken und 2 auf den rechten Wannenrand. (Wie die 3 Meringues in Ernsts Eremitage gekommen sind, bleibt auch für Ernst 1 süsses Rätsel.). Ernst hat den Wasserhahn versehentlich nicht ganz zugedreht, so dass am Ausguss 1 Tropfen heranwächst, der sich im Zeitlupentempo löst und mit einem zarten Plop ins Badewasser fällt.

Uralter Teich –
Ein Frosch springt hinein
Plop[3]

Das zarte Plop zeigt Ernst, dass es kein grosser Frosch sein kann. Kein Platsch mit einem plumpen !, sondern nur – plop. Ein Winzling im Frühling. Nachdem sich auch der zweite Tropfen vom Ausguss gelöst hat, flüstert Ernst:

Der alte Weiher –
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers

 

 

Ernst taucht mit Ernsts Kopf unter das Wasser. Ist hier unten das Geheimnis des Frosches? ein subaquatisches quoiquoiquoiquoiquoiquoiquoiq?[4] Bevor Ernst Ernst dieser Frage widmen kann, kommt Ernst in Atemnot und taucht mit einem Ruck wieder auf. Ernst wischt Ernst das Wasser aus Ernsts Gesicht und sumst nach dem dritten Tropfen:

Wenn hinter Tropfen Tropfen tropfen, tropfen Tropfen Tropfen nach.

Dann isst Ernst (aus Gründen der Symmetrie) 1 Meringue vom rechten Wannenrand. Ernst bekommt vom gezuckerten Eischnee klebrige Finger, kann diesen aber im Badewasser mit Leichtigkeit abwaschen. Doch nun ist genug getrödelt. Ernst reisst Ernst zusammen, springt aus dem Tröpferlbad, trocknet Ernst ab, zieht Ernst an, holt Ernsts Wanderschuhe hervor und ruft: «Hopp, Ernst!» Und so kommt es, dass Ernst wieder einmal 1 Wanderung macht.

Gestern bin ich direkt nach dem Aufstehen aufs Laufband gestiegen und in 60 Minuten 11 Kilometer gelaufen, um 600 Kalorien zu verbrennen. Ich habe 60 Kalorien in Form von Haferflocken mit Süssstoff und Butterersatzspray zu mir genommen und schwarzen Kaffee mit Vanillegeschmack getrunken. Bei der Arbeit habe ich nichts gegessen. Mittags bin ich in meiner Garderobe eine volle Stunde auf dem Laufband gegangen. Mist. Nur gegangen. Es ist Zeit, sich ernsthaft mit dem gestrigen Abend auseinanderzusetzen. Ich beginne zu schluchzen und frage mich, wie viele Kalorien ich wohl allein durch das Weinen verbrennt habe.[5]

Nach der Wanderung fühlt Ernst Ernst rundum wohl und macht Ernst eine Tasse Long Jing Shi Feng. Wie Ernst den leicht herben Duft einatmet, hört Ernst, wie ein Paket in Ernsts Briefcase geworfen wird.

Werter Herr Ernst

Ginger-Fliegenliesel-Frappé ist sehr betrübt, dass Herr Ernst immer noch keinen Ausweg aus seiner Sackgasse gefunden hat. Sie streitet heftig um eine Lösung für Sie und strickt Ihnen eine Gebetsfahne. Das erste Fähnchen erhalten Sie mit dieser Post. Sie meint, dass Ihre Ernährungsumstellung nicht nur für Ihre feinen Goodies aus aller Welt ein Thema sei, sondern auch für Ihren überfutterten Kopf. Was da so alles vorbeikommt im Lauf eines Kapitels. Das kann ja nicht gut gehen. Sie sollen meditieren Herr Ernst. Unter einem bodybaum. Das erste Fähnchen heisst «Sonnenaufgang über Bagan». Die Schnur ist für das Aufhängen von weiteren Fähnchen gedacht.

Mit besten Grüssen
Ginger-Fliegenliesel-Frappé[6]

Ernst ist irritiert, denn Ernst hat die Abenddämmerung auf Ernsts Balkon lieber als einen Sonnenaufgang über Bagan.[7] Aber auch der ‹bodybaum› und der ‹überfutterte Kopf› machen Ernst skeptisch. Doch dann sagt Ernst Ernst, dass Ernst nichts unversucht lassen sollte. Ernst befestigt also das Gebetsfähnchen auf Ernsts Balkon an der Schnur. Leider ist es windstill und es hängt schlaff über der Brüstung, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Dann geht Ernst zurück zu Ernsts Küche und setzt Ernst, so gut es in Ernsts Alter geht, in den Schneidersitz.

Ernst sagt: «Ernst ist ruhig … Ernsts Atem geht ein … Ernsts Atem kehrt um … Ernsts Atem geht aus … Ernst ist ganz bei ernstselbst.» Schon nach wenigen Minuten spürt Ernst, dass Ernst ein Aha-Erlebnis der besonderen Art bevorsteht. Aber justgenauda hört Ernst die Choco Summsis. Sie schwirren und flirren und trällern: «Palím, palím! We’re the popular chocolate bees, cheeky, humorous, and irresistibly cute!»[8]

Ernst hat gelesen, dass es (besonders bei kopflastigen Menschen) während einer Meditation immer wieder vorkomme, von Bildern und Stimmen gestört zu werden, und es in solchen Fällen wichtig sei, diese Chimären einfach vorbeiziehen zu lassen. Und tatsächlich! Schon sind die Choco Summsis weg. Und wieder geht Ernsts Atem ein … kehrt um … geht aus … kehrt um … geht ein … kehrt um … geht aus … kehrt um … und Ernst ist nun schon zum zweiten Mal ganz bei ernstselbst. Da will es der Zufall, dass Ernst die Essensglocke des Monasteriums hört: Tidìmm, tidìmm, tidìmm! Nun steht Ernst vor der Entscheidung, weiter zu meditieren und einen Einblick in Ernsts Wesen zu bekommen oder sogar eine Erleuchtung zu erlangen (vielleicht nur temporär, aber immerhin) oder Ernsts Einkehr abzubrechen und im Refektorium etwas Kleines zu Ernst zu nehmen. Ernst überlegt nicht lang und ruft:

Auch zwischen den Kochtöpfen wandelt der Herr.[9]

Weil Ernst Ernst im Monasterium schon lange nicht mehr hat blicken lassen, wird Ernst von den Fratres mit einem vielsagenden Lächeln begrüsst. Ernst ignoriert es und setzt Ernst neben Frater Iacob an den Tisch. Es gibt Raclette aus dem Turtmanntal. Die Fratres nennen es Müettis chüschtigi Raclette, was Ernst insofern befremdet, als Ernst das Wort Müetti im Monasterium deplaciert vorkommt. Andererseits sagt Ernst Ernst, dass jeder Frater auch eine Mater hat und schliesslich findet es Ernst rührend, dass gerade im Monasterium mit einem Müetti-Raclette der Frauen gedacht wird. Frater Iacob bemerkt, dass Ernst abwesend ist und sagt aufmunternd: «Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks, nicht wahr?» Ernst nickt und isst ein weiteres Raclette mit Kartoffeln, Silberzwiebeln und Cornichons.

Wieder zurück in Ernsts Klause entschliesst Ernst Ernst, in der Klosterbibliothek «The Life & Adventures of Robinson Crusoe» zu lesen, denn dieser Geoffrey[10] hat Recht: Ernst wird sich mit einem längeren Inseldasein wohl oder übel anfreunden müssen und da kann es nur von Vorteil sein, im Journal eines Schiffbrüchigen Rat zu suchen.


[1] Witold Gombrovic, Tagebuch 1953–1956

[2] J’ose non seulement parler de moy, mais parler seulement de moy. Michel de Montaigne, Essais, III/8, De l’art de conférer – Über die Kunst des Gesprächs, übersetzt von Arthur Franz.

[3] Matsuo Bashô (1644-1694), furu ike ya / kawazu tobikomu / mizu no oto (1686)

[4] James Joyce, Finnegans Wake, 195

[5] Portia de Rossi, Annabelle, 18/11

[6] Ernst hat den Brief leicht gekürzt und hofft, dass Fliegenliesel dafür Verständnis hat.

[7] Episode 28, Hier [in Ernsts Klause] lebt Ernst, hier schreibt und hier isst Ernst, das ist Ernsts Welt.

[8] Trarí, trará! Wir sind die beliebt-beleibten Schokobienen, frech, witzig und leidlich niedlich! Wie könnte da unser Ernst uns je widerstehen? Übersetzung Ernst, http://www.munz.ch/munz-welt/figuren/choco-summsi/#/munz-welt/figuren/choco-summsi/

[9] Teresa von Avila

[10] Episode 48, Email an Bea